Über eine vom Finanzamt eigenmächtig gewährte Steuerermäßigung
freut sich jeder? Nicht zwingend. Manche Ermäßigungen können nämlich
nur einmal im Leben geltend gemacht werden und sind dann für
später verbraucht. Über diese Gefahr muss ein Steuerberater aufklären,
auch wenn es dazu noch keine Gerichtsentscheidung gibt. Ansonsten
haftet er. Hierauf weist das Landgericht (LG) Lübeck hin.
Ein Steuerberater prüfte für einen Mann einen Steuerbescheid, wonach
der Mann Steuern nachzahlen sollte. Das Finanzamt hatte einen speziellen
ermäßigten Steuersatz angewendet, der nur einmal im Leben genutzt
werden kann. Allerdings hatte der Mann diesen speziellen Steuersatz
gar nicht beantragt. Der Steuerberater empfahl ihm, nicht gegen
den Bescheid vorzugehen, da sonst eine noch höhere Nachzahlung drohe.
Der Mann folgte diesem Rat. Zehn Jahre später beantragte er diesen
ermäßigten Steuersatz, aber das Finanzamt lehnte ab. Der Steuersatz
könne nur einmal im Leben beansprucht werden und sei bereits verbraucht.
Rechtsmittel blieben ohne Erfolg: Der Bundesfinanzhof bestätigte
die Ansicht des Finanzamts (VIII R 2/19).
Vor dem LG Lübeck verlangt der Mann von dem Steuerberater Schadensersatz.
Dieser habe ihm empfehlen müssen, gegen den Bescheid
vorzugehen. Anders sieht es der Steuerberater: Er habe nicht wissen
können, dass der ermäßigte Steuersatz auch dann verbraucht ist, wenn
dieser gar nicht beantragt wurde. Gerichtsentscheidungen habe es dazu
noch nicht gegeben.
Der ermäßigte Steuerersatz beruhte auf einer Regelung im Einkommensteuergesetz
(§ 34 Absatz 3). Unter bestimmten Voraussetzungen kann
die Einkommensteuer bei „außerordentlichen Einkünften“ auf Antrag
nach einem ermäßigten Steuersatz bemessen werden. Konkret heißt es
(Satz 4): „Die Ermäßigung […] kann der Steuerpflichtige nur einmal im
Leben in Anspruch nehmen.“
Das LG gab dem Mann recht. Der Steuerberater habe ihn darauf hinweisen
müssen, dass der vergünstigte Steuersatz nur einmal im Leben beansprucht
werden kann. Das Gesetz regele dies eindeutig. Wegen dieser
klaren Regelung habe der Steuerberater über die Gefahr aufklären müssen,
dass die Vergünstigung später verbraucht sein könnte, auch wenn
sie gar nicht beantragt war. Da er dies versäumt habe, müsse er dem
Mann den Schaden von rund 220.000 Euro ersetzen.
Landgericht Lübeck, Urteil vom 11.01.2024, 15 O 72/23, nicht rechtskräftig
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