Anspruch auf Urlaubsabgeltung kann tarifvertraglicher Ausschlussfrist unterliegen

Der gesetzliche Anspruch eines Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber, nicht genommenen Urlaub nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses abzugelten, kann nach Maßgabe einer tarifvertraglichen Ausschlussfrist verfallen. Endete das Arbeitsverhältnis vor der Entscheidung des EuGH vom 06.11.2018 (C-684/16) und oblag es dem Arbeitnehmer aufgrund der gegenläufigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) nicht, den Anspruch innerhalb der tarifvertraglichen Ausschlussfrist geltend zu machen, begann die Ausschlussfrist erst mit der Bekanntgabe des Urteils. Dies stellt das BAG klar. Die Beklagte, ein Zeitungsverlag, beschäftigte den Kläger seit dem 01.04.2007 zunächst auf der Grundlage eines so genannten Vertrags für Pauschalisten, sodann als angestellten Redakteur. Nach § 18 Nr. 1 Satz 1 des Manteltarifvertrags für Redakteurinnen und Redakteure an Tageszeitungen (MTV) sind nicht erfüllte Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit geltend zu machen. Während seiner Tätigkeit als Pauschalist vom 01.04.2007 bis zum 30.06.2010 erhielt er keinen Urlaub. Das Arbeitsverhältnis endete am 30.09.2014. Im August 2018 forderte der Kläger die Beklagte auf, insgesamt 65 Arbeitstage Urlaub aus den Jahren 2007 bis 2010 abzugelten. Die Forderung in Höhe von 14.391,50 Euro brutto wies die Beklagte mit der Begründung zurück, ein etwaiger Anspruch des Klägers aus der Zeit seiner Tätigkeit als Pauschalist sei verfallen und verjährt. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Die Revision des Klägers hatte beim BAG Erfolg. Sie führt zur Zurückverweisung an das Landesarbeitsgericht (LAG). Nach der ständigen Rechtsprechung des BAG könne der Anspruch auf Abgeltung nicht genommenen Urlaubs als reiner Geldanspruch tariflichen Ausschlussfristen unterfallen. Daran halte das BAG fest. Die rechtliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses bilde eine Zäsur. Der Urlaubsabgeltungsanspruch sei – anders als der Urlaubsanspruch – nicht auf Freistellung von der Arbeitsverpflichtung zu Erholungszwecken unter Fortzahlung der Vergütung gerichtet, sondern auf dessen finanzielle Kompensation beschränkt. Die strukturell schwächere Stellung des Arbeitnehmers, aus der der EuGH die Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers bei der Inanspruchnahme von Urlaub ableitet, ende mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Der Kläger sei bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 30.09.2014 nicht gehalten gewesen, seinen Anspruch auf Abgeltung des bis dahin nicht gewährten Urlaubs aus den Jahren 2007 bis 2010 der Beklagten gegenüber im Sinne der Ausschlussfristenregelung geltend zu machen. Das BAG sei zu diesem Zeitpunkt noch davon ausgegangen, dass Urlaubsansprüche mit Ablauf des Urlaubsjahres oder eines zulässigen Übertragungszeitraums unabhängig von der Erfüllung von Mitwirkungsobliegenheiten automatisch verfielen. Erst nachdem der EuGH mit Urteil vom 06.11.2018 neue Regeln für den Verfall von Urlaub vorgegeben hatte, habe es dem Kläger oblegen, Urlaubsabgeltung zu verlangen. Der von dem Kläger erhobene Abgeltungsanspruch sei vor diesem Zeitpunkt auch nicht verjährt. Zwar stehe der Anwendung der Verjährungsvorschriften der unabdingbare Schutz, den der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub genießt, nicht entgegen. Nach den vom BAG mit aktuellem Urteil (9 AZR 456/20) entwickelten Grundsätzen lief die Verjährungsfrist nicht vor dem Ende 2018. Der Kläger habe die gesetzliche Verjährungsfrist, indem er die Beklagte im Jahr 2018 auf Zahlung von Urlaubsabgeltung gerichtlich in Anspruch nahm, gewahrt. Dennoch könne das BAG nach den vom LAG getroffenen Feststellungen nicht abschließend darüber befinden, ob die Beklagte Urlaubsabgeltung schuldet. Das LAG werde daher nach der Zurückverweisung aufzuklären haben, ob der Kläger in den Jahren 2007 bis 2010, in denen er als Pauschalist redaktionelle Aufgaben für die Beklagte wahrnahm, im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses tätig war. Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 31.01.2023, 9 AZR 244/20

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